Die alpine Hochebene von Melchsee-Frutt bietet im Winter ein ideales Gelände für vielfältige Wintersportarten. In diesem Jahr fand das Transa Winter Festival vom 24. bis 26. Februar in dieser grandiosen Landschaft statt. Die Sportaktivitäten variieren von Mal zu Mal; in diesem Jahr wurden Iglubauen, Eisfischen und Schneeschuhlaufen angeboten. Wir entschieden uns für die 2-tägige Variante von Freitag bis Samstag während der wir zwei Iguls bauen konnten und am Samstag eine schöne Tour mit den Schneeschuhen genossen.
Unsere Nacht auf Freitag war kurz, da wir einen sehr frühen Zug nehmen mussten um die Stöckalp am Fusse der Hochebene um 9 Uhr zu erreichen. Dort wurden wir vom Transa-Team in Empfang genommen und mit Material ausgerüstet. Alle Werkzeuge für den Iglubau waren bereits vor Ort, aber das LVS (Lawinen-Verschütteten-Suchgerät), Sonde und Schaufel mussten wir selbst bis zum Basecamp transportieren, bzw. von der Seilbahn und dem Snow-Mobil befördern lassen.
Oben angekommen, wurden wir nochmals begrüsst und warteten auf die Verschiebung von der Bergstation Melchsee-Frutt bis ans Ostende der Hochebene, nach Tannalp. Die Karte gibt einen Überblick über das Plateau:
Hochebene von Melchsee-Frutt
Das Wetter war an diesem Freitag durchwachsen; beständiger Schneefall bei wechselnden Winden, eine moderate Temperatur um den Gefrierpunkt boten ideale Bedingungen zum Iglubau. Ein Snow-Mobil mit Anhänger beförderte uns und das Gepäck quer über die Ebene bis zum Basecamp in unmittelbarer Nähe zum Berggasthaus Tannalp. Transa hatte wirklich viel Personal aufgeboten um die Gäste des Winter- Festivals zu betreuen; so kam es, dass wir bei der Ankunft in Tannalp ein drittes Mal herzlich begrüsst wurden.
Hundert Meter vom Gasthaus entfernt befand sich die 'Baustelle' für die Iglus. Wer glaubt, ein Iglu könnte man einfach so ohne Anleitung bauen, hat sich getäuscht. Es braucht einiges an Wissen, um solch eine Halbkugel zu erstellen. Um dieses Wissen zu vermitteln, wurde jedem Viererteam ein Betreuer zur Seite gestellt. Der Iglubau beginnt mit der Auswahl einer ebenen Grundfläche, die zuerst durch viel Getrampel planiert wird. Dann wird eine Sonde (Skistock oder Lawinensonde) in der Mitte des Igluplatzes eingesteckt und am Boden mit einer ca. 1.5 Meter langen Schnur verbunden, die den Radius des Iglus markiert. Das ergibt ein Iglu mit 3 Metern Durchmesser und 1.5 Metern Höhe; genug für zwei Personen. Die Schnur gewährleistet einen gleichmässigen Abstand der Aussenwände zum Fixpunkt am Boden. Somit hat man das Mass um eine perfekte Halbkugel zu bauen. Als weitere Werkzeuge dienen mehrere Schneeschaufeln und Schneesägen sowie eine Wasserwaage. Ein guter Bauplatz stellt sicher, dass man in unmittelbarer Nähe Schneeblöcke sägen kann. Im Idealfall können diese 60 x 40 x 20 cm grossen Blöcke direkt aus der obersten Schneeschicht gesägt werden. Das war bei uns leider nicht der Fall, da der Oberflächenschnee zu locker war. Deshalb mussten wir zuerst circa 1 Meter der Schneeoberfläche mit den Schaufeln abtragen um an genügend kompakte Schichten zu gelangen. Man kann sich das wie im Tagebau vorstellen: auf mehreren Metern Breite an einem kleinen Hügel wird der Schnee abgetragen, Laufgänge gegraben und Vorschnitte erzeugt um dann kontinuierlich Blöcke aus dem Schnee sägen zu können. Übrigens sollte man das Iglu im Durchmesser nicht zu gross planen, da jeder zusätzliche Meter beim Durchmesser mehrere Stunden Zusatzaufwand bedeutet. Ausserdem wirkt sich ein grosser Durchmesser auch auf die Höhe des Gebäudes aus, was in der Endphase des Baus zu langen Hälsen und steifen Armen führen wird. Drei Meter im Durchmesser bedeuten auch 1,5 Meter in der Höhe wobei diese eher überschritten wird; doch dazu später mehr.
Das Basecamp
Das Bild des Basecamps zeigt den Unterschied der Igluformen deutlich: das Iglu links von der Mitte hat die perfekte Halbkugel-Form; alle anderen haben eine sub-optimale Kegelform. Die optimale Form hat drei Vorteile: grösste Stabilität, einfacher zu bauen im Dachbereich und (ganz wichtig) die beste Wärmespeicherung. Kegelförmige Iglus sind Kältetürme; durch ihre Höhe sammelt sich die Körperwärme im oberen Teil des Iglus, so dass es am Boden kälter ist als bei der optimalen Halbkugel-Form.
Der Bau des Iglus beginnt mit dem Bodenring von horizontal aneinander gereihten Schneeblöcken. Das ist sehr einfach, da man sich weder um Statik noch um Neigung kümmern muss. Mit der Schnur in der Mitte ist eine optimale Kreisform problemlos erreichbar. Ab der zweiten Eben wird es schwieriger, da man vom Ring zu einem spiralförmigen Aufbau übergehen muss und die korrekte Innenneigung der Blöcke zu beachten ist. Die Spiralform wird im unteren Ring eingeleitet, indem man die Höhe der Blöcke kontinuierlich ansteigen lässt. Dadurch erhält man beim letzten Block im unteren Ring eine Höhenüberlappung zum ersten Block und kann von dort problemlos in die Spirale des zweiten Rings übergehen. Der erste Block des zweiten Rings muss etwas niedriger sein als der vorherige Block, um eine ebene Oberkante zwischen diesen beiden Blöcken zu erzielen.
Ab dem zweiten Ring spielt die richtige Bautechnik eine wichtige Rolle. Diese Technik wird um so bedeutsamer je mehr man sich der Vollendung des Iglus im Dachbereich nähert. Drei Dinge sind von zentraler Bedeutung: die Spiralform, die Neigung und die Dreipunkt-Regel. Mit der Spiralform erhält man eine aufsteigende Linie beim Aneinanderreihen der Schneeblöcke. Dieser Anstieg bedingt, dass der nächste Block gegen den vorherigen rutscht und somit eine stabile Verbindung zu diesem herstellt. Wäre die Linie gerade oder abfallend, würde ein neuer Block sich statisch nicht am vorherigen halten können. Dies wird umso deutlicher, da die Blöcke eine zunehmende Innenneigung erhalten; im Dachbereich liegen sie fast waagerecht. Beim Bau des Iglus kann man kaum glauben, dass die Blöcke im oberen Bereich überhaupt halten können. Hier kommt die Dreipunkt-Regel im wahrsten Sinne des Wortes zum Tragen.
Fertiges Iglu
Setzt man einen neuen Block an, so muss dieser auf drei Punkten stabil lagern. Baut man von links nach rechts, so sind dies die beiden Innenpunkte des Blocks oben und unten an der linken Seite sowie rechts der untere, innere Auflagepunkt. Ein gutes Anliegen dieser Punkte erreicht man indem der aufgesetzte Block mit der Schneesäge nach Augenmass leicht korrigiert wird. Die richtige Neigung kann mit der gespannten Schnur überprüft werden oder mit der von aussen angelegten Wasserwaage. Grundsätzlich ist die Neigung immer zu gering; man traut der Statik des Gebildes nicht so richtig. Liegt der Block in der richtigen Positon, wird dieser mit einem beherzten Klapps auf die rechte Seite in seiner Position fixiert. Der Klapps war zu fest, wenn der Block dabei auseinander bricht oder der vorherig Block nach innen umfällt.
So arbeitet man sich nun Runde um Runde vor, bis man den Dachbereich fast fertig gestellt hat. Den Schlussstein wählt man etwas grösser als benötigt, legt in oben auf und bearbeitet ihn von innen mit der Säge bis er in das verbleibende Loch passt. Meistens gräbt man vorher schon den Eingangstunnel damit derjenige, der im Inneren des Iglus arbeitet, auch einmal herauskriechen kann. Der Eingangstunnel wird von innen und von aussen unter der Iglubasis hindurch gegraben und befindet sich auf der vom Wind abgewandten Seite. In der Regel ist die erste Version des Tunnels zu eng, was man bei der Erstbekriechung sehr schnell merkt. Das Bodenloch innerhalb des Iglus sollte möglichst klein ausfallen um die sowieso beschränkte Liegefläche nicht noch kleiner zu machen. Hier ist ein schönes Video von Transa das den Bau einen Iglus zeigt.
Theoretisch beträgt die Temperatur im Iglu knapp über dem Gefrierpunkt, unabhängig von der Aussentemperatur, aufgeheizt durch die Insassen. Je niedriger das Iglu gebaut ist, desto höher ist die Bodenwärme (Stichwort Kälteturm). Für die Übernachtung braucht man einen tauglichen Winterschlafsack und - ganz wichtig - eine genügend dicke (min. 6 cm) Isoliermatte. Obwohl wir an diesem Freitag ein ansehnliches Iglu zustande brachten, haben wir nicht darin geschlafen. Zum Einen hatten wir zwei Iglus für fünf Personen gebaut, obwohl es nur Platz für vier Personen gab, zum Anderen zogen wir es aus medizinischen Gründen vor im Gasthaus Tannalp zu schlafen. Wir können aber bestätigen, dass alle 20 Bauherren und -frauen eine gute Nacht hatten.
Wie gesagt, das trübe Wetter am Freitag war ideal zum Iglubauen aber der strahlende Sonnenschein und wolkenlose Himmel auf Samstagmorgen war ebenso ideal für unsere Schneeschuhwanderung. Diese Bild überraschte uns nach dem Aufstehen beim Blick aus unserem Zimmerfenster:
Tannalp am Morgen
Für den Samstag gab es zwei Aktivitäten zur Auswahl, Eisfischen oder Schneeschuhwandern. Da wir uns das Eisfischen eher langweilig vorstellten, entschieden wir uns für die Schneeschuhtour. Auf diesem Gebiet sind wir bereits alte Hasen nach den vielen Schneeschuhwanderungen mit Norbi. Trotzdem tat uns die Auffrischübung im Umgang mit Schaufel, Sonde und LVS zum Auftakt der Wanderung ganz gut. Anderthalb Stunden lang übten wir uns im Aufspüren von Verschütteten, Sondieren derselben und dem Ausgraben von vorsätzlich vergrabenen Rucksäcken. Neben unserem Übungsplatz befand sich ein grosses Schlittenhundegehege; am Vortag durften wir bereits einen 16-Spänner bestaunen.
Schneeschuhwandern
Nach der Auffrischung in Sachen Lawinenrettung ging es endlich los Richtung Melchseestock. Dieser 2227 Meter hohe 'Hügel' inmitten der Hochebene ist eine malerische sanfte Kuppel mit dem Melchsee und Tannensee zu Füssen im Norden und dem eher unbekannten Gental (Engstlensee) im Süden. Bei diesem Wetter, gutem Material und noch besserem Wetter konnten wir die sehr leichte Tour nur geniessen. Am Nachmittag um 15 Uhr waren wir schon wieder zurück am Basecamp und haben die restliche Zeit bei Heissgetränken und dem ein oder anderen Schwatz harmonisch ausklingen lassen bis wir um halb fünf mit dem Schneemobil den ersten Teil unserer Heimreise antraten.
Es war ein wundervolles Wochenende mit gebräunten Wangen und Muskelkater vom Schaufeln - gerne wieder und vielen Dank an Transa.