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Wind-up 2025: Smoke on the Water

Nach 33 Jahren Jungs-Touren, ist es gar nicht so einfach, ein neues Zielgebiet zu finden. Obwohl es auf der Welt genügend Ziele gibt, unterliegen die einwöchigen Wind-up-Reisen gewissen Beschränkungen. Die Kosten sollen nicht aus dem Ruder laufen und der Bestimmungsort muss in nützlicher Zeit erreichbar sein. Die frühen Touren waren von Vielfalt geprägt, später haben wir uns auf das Motorradfahren konzentriert und in den letzten Jahren wurde das Bike durch ein Hausboot ersetzt; man wird ja nicht jünger. Im letzten Jahr haben wir die Boot-Serie durch eine Städtereise nach Barcelona unterbrochen, was schön war, uns jedoch nicht davon abhielt, in diesem Jahr wieder die Schiffsplanken unter die Füsse zu nehmen. Schlimmer noch: Wir haben die Tour auf die brandenburgische Seenplatte (oder ist es die mecklenburgische?) von 2023 wiederholt.

Die Reise begann für mich am 29. August und endete am 6. September 2025. Der Grund für diese verlängerte Woche lag in der Anreise. Am Freitag flog ich von Zürich nach Düsseldorf, übernachtete bei Udo und am Samstag fuhren wir gemeinsam zur Marina Wolfsbruch bei Rheinsberg in Brandenburg.

Dort durften wir unser Hausboot in Empfang nehmen. Es handelte sich um eine Futura 40 Flybridge, vom Yacht-Charter auch "Dicker Max" genannt.

Ob es sich um die mecklenburgische oder die brandenburgische Seenplatte handelt, kann ich eindeutig klären. Unser Fahrgebiet befand sich ausschliesslich im Bundesland Brandenburg. Dennoch wird das Gebiet mecklenburgische Seenlandschaft genannt. Hier seht ihr eine Karte des Gebiets:

Unsere Ausflüge waren kürzer als vor zwei Jahren, wofür es gute Gründe gab; doch dazu später. Wir bewegten uns von der Marina Wolfsbruch (siehe Marker auf der Karte) zwischen dem Flecken Zechlin im Westen, Rheinsberg im Süden und Fürstenberg im Osten. In diesem Seengebiet spielen die zurückgelegten Distanzen überhaupt keine Rolle. Man kann einen wunderbaren Tag verbringen, indem man in Bucht 1 frühstückt, in Bucht 2 in der Sonne liegt, in Bucht 3 einen Schluck Wein geniesst und in Bucht 4 den Anker für die Nacht wirft. Die Aussichten ähneln sich in ihrer Schönheit. Hier ist ein Foto, wie es fast überall aussieht:

 

Dicker Max

Unser Boot, eine Futura 40 Flybridge "Dicker Max", war noch einmal grösser, höher und moderner als das Boot von vor zwei Jahren. Ein grösseres Boot ist für das Befahren der Seenplatte ungeeignet, weil wir mit dem Dicken Max schon zielen und die Köpfe einziehen mussten, um enge Brücken zu unterfahren. Auf der Yacht gab es drei Doppelkabinen mit jeweils eigenen Bädern. Den Salon mit einem modernen Steuerstand, zwei Sitzbänken mit einem Klapptisch, die Küche mit einem zusätzlichen Kühlfach für Getränke unter einer Sitzbank und einen Ofen, der sich ebenfalls unter der Sitzbank befand und im Liegen bedient werden wollte. Das Kühlfach haben wir dankbar angenommen und der Ofen diente uns zum Aufbacken von Brötchen. Die Küche empfanden wir als Fehlkonstruktion, da der Herd zwar mit einem Ceran-Feld glänzte, worunter sich jedoch zwei Gasflammen befanden. Diese Kombination führte zu elend langen Kochzeiten. Auch die Ausstattung der Küche in Bezug auf Töpfe, Pfannen und Geschirr rangierte in der Zwergenkategorie. Unsere dreiköpfige Crew entging nur knapp dem Hungertod ob der kleinen Ausmasse der Küchengeräte. Das Boot ist für sechs Personen ausgelegt; ich möchte mir nicht vorstellen, wie man dort zu sechst haushaltet.

Im Salon haben wir uns wenig aufgehalten. Da es am Mittwoch und Freitag regnete, waren wir nur für kurze Zeit an den Innenraum gefesselt. An allen anderen Tagen hatten wir sonniges Wetter mit Temperaturen um die 24 Grad. An den Schlafräumen fielen uns die Fliegengitter und die Beleuchtung positiv auf, während die Doppelbetten eigentlich nur für jeweils eine Person geeignet sind. Das Problem dabei, ist nicht die Grösse der Betten, sondern der fehlende Stauraum für das Gepäck. Ausser einem Spind gibt es da nicht viel, sodass man gezwungen ist, die Taschen und Klamotten auf dem zweiten Bett zu lagern. In den beiden Seitenkabinen sind Wurmfähigkeiten von Vorteil, da man sich in die Schlafposition hineinschlängeln muss, möchte man nicht mit dem Kühlfach oder dem Ofen kollidieren, die sich eine Etage über einem befinden.

Genug gejammert. Die Defizite im Innenraum werden durch den grosszügigen Aussenraum aufgewogen. Hier kann man die "Draussenzeit" in vollen Zügen geniessen. Das Achterdeck, welches hinten an den Bootsrumpf angebaut ist (in Art einer Badeplattform), ist wirklich gross und bietet Platz für eine Sitzgarnitur, Tisch und zwei ordentliche Stühle. Daneben gibt es noch genug Platz für einen richtigen Weber-Grill, ohne dass man sich gegenseitig auf die Zehen tritt. Auch die Flybridge (das Oberdeck) muss sich nicht verstecken. Dort gibt es neben dem Aussensteuerstand eine bequeme Ecksitzbank und einen drehbaren Tisch mit Getränkehaltern. Für das Achterdeck und die Flybridge gibt es jeweils ein Bimini, wobei ersteres fest montiert war.

Auch die Steuertechnik wusste zu überzeugen. Der Motor wird durch zwei Seitenstrahlruder ergänzt, wodurch die Navigation an kniffligen Stellen sehr vereinfacht wird. Bei diesem Bootstyp muss noch nicht einmal zwischen der Innen- und Aussensteuerung umgeschaltet werden; man steuert, wo man möchte 😄. Hinzu kommt das professionelle Navigationssystem, auf dem man die eigene Position auf einer Seenkarte sehen kann und auch über die Wassertiefe informiert wird.

 

Flecken Zechlin

Am westlichen Ende unserer Tour liegt der Flecken Zechlin, den wir bereits von unserer letzten Tour in guter Erinnerung hatten. Tatsächlich geht es nicht um die Ortschaft, sondern um die Fischerhütte Gehrt am Ende des Schwartzer Sees. Dort kann man mit dem Boot fast bis in die Küche fahren. Die Fischerhütte trumpft mit gemütlichen Gartensitzplätzen und einer grossen Auswahl an Fischgerichten. Wir entschieden uns für eine Variation an Fischbrötchen, die hier in Shell-Form präsentiert werden und hervorragend schmecken. Lässt man dem Fisch ein, zwei Bier folgen, fühlt er sich in seinem natürlichen Habitat wohl.

 

Der Gitarrenkoffer

Dieses Kapitel beschreibt das grosse Trübsal, welches uns, bzw. mir, während dieser Reise zuteil wurde. Neben der Bootstour, haben wir uns alle auf das gemeinsame Musizieren gefreut. Torsten hatte seine Gitarre im Gepäck, Udo hatte die Trompete und eine Mundharmonika eingepackt und ich hatte mir für den Transport extra einen Gitarrenkoffer gekauft und für 150 CHF ein zusätzliches Gepäckstück bei SWISS gebucht. Leider kam der Koffer am Freitagabend nicht in Düsseldorf an, sondern erst am nächsten Tag. Wir konnten ihn nicht abholen, da wir am nächsten Tag bereits früh in Richtung Brandenburg aufbrechen mussten, um das Boot um 14 Uhr in der Marina zu übernehmen. Daher hatte ich schon am Freitagabend eine Nachsendung des Koffers zur Marina mit der Fluggesellschaft vereinbart. Mir wurde bestätigt, dass die Gitarre am Montagmittag in die Marina geliefert würde.

Durch diesen Umstand mussten wir unsere Reiseroute ändern, um am Montag wieder in der Marina zu sein. Enttäuschenderweise gab es vom Instrument am Montag keine Spur. Am Mittwochmorgen erfuhr ich, nach vielen Telefonaten, dass man nun Kenntnis davon erhalten hatte, den Koffer zur Marina zu liefern. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen entschied ich mich dafür, die Gitarre an meine Heimatadresse zurückschicken zu lassen. Zu gross wäre das Risiko gewesen, dass die Gitarre erst nach unserem Urlaub in Brandenburg angekommen wäre.

Die Geschichte hatte noch weitere unerfreuliche Wendungen, die ich hier nicht erzählen möchte. Schlussendlich konnte ich den Gitarrenkoffer im Gepäcklager des Flughafens Zürich sicherstellen. Gütigerweise habe ich von der SWISS lediglich die Kosten für das Extragepäck von 150 CHF zurückgefordert. Nach einigem E-Mail hin-und-her hat die SWISS mir die Gepäckkosten für den Hinflug in Höhe von 75 CHF erstattet.

Das verlorene Geld war für mich zweitrangig. Viel schwerer wog, dass wir nicht zusammen Musik machen konnten.

 

Rheinsberg

Da wir wussten, wie das Wetter wird, haben wir am Donnerstagabend in der preussischen Stadt Rheinsberg angelegt. Der Plan war, den Freitagregen dort auszusitzen, in der Stadt einzukaufen und Gott einen guten Mann sein zu lassen. Wie geplant, so geschehen. Im Hafen durften wir alte Männer in praktischen beigefarbenen Westen bewundern, lernten einen Volksdeputierten kennen, dessen Hund auf den Namen "Söder" hörte, und diskutierten mit dem rosa-behosten Wurstmann vom Nachbarschiff.

 

Heiko

Heike ist ein Original, sozusagen der "Hafenmax". Als Leiter von Max-Yachtcharter hat er den Laden im Griff und ist nie um einen dummen Spruch verlegen. Bevor man in der Marina Wolfsbruch ein Max-Boot betritt, muss man in Heikos Container, um seinen Auftritt zu geniessen. Man sollte diese Begegnung nicht als Einführungsgespräch, sondern als Theateraufführung verstehen. Kein Satz ohne Plattitüde, keine Entgegnung ohne Pointe. Der Max – äh, der Heiko – hat es faustdick hinter den Ohren. Das beginnt bei den Geschirrtüchern und endet mit den Gaskartuschen für den Weber-Grill. Erstere sind nicht vorhanden, werden jedoch zur Verfügung gestellt, wenn man sich mit Heikos Adlaten gut steht. Der läuft dann schnell ins benachbarte Hotel und besorgt einen Lappen, mit dem man das Geschirr abtrocknen kann; aber wehe, Heiko erfährt davon. Der Lappen muss klandestin unter dem T-Shirt transportiert werden. Die Gaskartuschen verkauft Heiko zum Max-imalen Preis, also mindestens doppelt so teuer wie herkömmliche Kartuschen. Unbenutzte Kartuschen kann man selbstverständlich nicht zurückgeben, weil es schon Kunden gab, die die Füllmenge abgewogen haben und deshalb keine Kartuschen kaufen wollten. Diese Story ist hanebüchen, aber ganz nach Heikos Geschmack. Wir haben Heiko in unser Herz geschlossen, weshalb ihm hier ein ganzes Kapitel gewidmet ist.

 

Fürstenberg

Nach dem Regen fuhren wir von Rheinsberg im Westen nach Fürstenberg im Osten. Auch das war für uns bekanntes Fahrrevier. Fürstenberg hat einen Stadthafen mit einer Fischbude. Diese wirbt mit dem Slogan «Fischbrötchen vom Fischbötchen», was ich erst nach dreimaligem Lesen richtig verstanden habe. Obwohl die Fischbrötchen ordentlich belegt waren, mundeten sie uns nicht so gut wie ihre Vorläufer von der Fischhütte Gehrt. Auch in Fürstenberg fand ein kleiner Einkauf statt, bei dem wir uns wunderten, dass es einen gelben und einen schwarzen Netto-Supermarkt gab.

 

Der Unfall

Eigentlich hätten wir bereits am Freitag in die Marina Wolfsbruch zurückkehren sollen, um bis 16 Uhr das Boot aufzutanken, Frischwasser zu bunkern und die Fäkalien abzupumpen. Damit wäre uns ein ganzer Tag verloren gegangen, weshalb wir uns dafür entschieden, erst am Samstagmorgen in die Marina einzulaufen. Wider Erwarten war die Tankstelle belagert; offensichtlich hatten noch andere Kapitäne dieselbe Idee. Um keinen Stau zu verursachen, parkten wir den Dicken Max für kurze Zeit am Home-Steg. Wir hatten nicht mit Heiko gerechnet, der uns sofort wieder in die Tankstellenwarteschlange schickte. Und dann geschah es. Der besseren Übersicht willen, wechselte Udo auf den oberen Steuerstand und schob die Gase auf Vorwärts. Der Dicke Max folgte willig dem Befehl und bewegte sich zügig aus der Parkbucht heraus, mit einem Poller im Hafenbecken als Ziel. Selbstverständlich hatte Udo die mögliche Kollision sofort erkannt und gab Gegensteuer und Rückwärtsgas. Die Überraschung war gross, als das Boot den Rückwärtsgang nicht annahm, sondern nach vorn fortfuhr. Daraufhin touchierten wir den genannten Metallpfeiler mit milder Gewalt. Sofort sprang ich auf, um mögliche Schäden im Bug zu entdecken. Es war nichts zu sehen; noch einmal Glück gehabt.

Nachdem wir alle Prozesse an der Tankstelle nach geraumer Zeit abgeschlossen hatten, ging es zurück in unsere Parkbucht. Sogleich sprang Heikos Gehilfe auf das Boot, um die Töpfe, Fender und Gabeln zu zählen. Es wäre ja möglich gewesen, dass wir das unvollständige Inventar weiter reduziert hätten. Doch es war gut, der Prüfer strahlte und begab sich zum Bug des Bootes. Dort verbrachte er eine geraume Zeit und begann, Fotos zu schiessen. Kurz darauf kam er mit einer Meldung zu uns: «Ihr habt den Anker geschrottet!» Bei der Kollision mit dem Metallpfeiler hatte Udo Mass genommen und exakt mittig getroffen: Anker gegen Pfeiler: Respekt! Was ich bei meiner Inspektion nicht entdeckte, war die verbogene Rinne für die Ankerführung. Diese war so krumm, dass der Anker darin festsass.

Das Ende vom Lied war, dass die Bootsversicherung den Schaden in Höhe von 926 Euro erstattet hat.

 

Fazit

Nun ja, die Woche war durchzogen. Das Boot war toll, aber doch nicht. Das Wetter war toll, aber doch nicht. Das Fahrgebiet war genial, wie immer. Die Fischbrötchen schmeckten am Flecken und weniger beim Fischbötchen. Unsere Gespräche waren sowohl tiefgründig, als auch zotig – wie immer. Leider konnten wir nicht zusammen Musik machen, was der grösste Downer neben dem Eierlikör vom Taxi war. Die von Udo und Torsten zubereiteten Abendmahle, waren immer lecker und reichhaltig. Besonders verdanken möchte ich Udos Nachmittagshäppchen. Der Brandwein war Pfütze und der Rum ein Gedicht.

Diesem Reisebericht kann man noch viel hinzufügen, doch es ist gut, wie es geschrieben steht. Wir hatten eine tolle Woche, die wir hoffentlich noch viele Jahre fortsetzen können.

 

Die Fotos