Liest heute noch jemand Bücher? Ich denke schon. Gerade in Zeiten der Medienflut auf diversen Kanälen (News-Portale, Messenger, Mikrobloggingdienst) und Geräten (PC, Tablet, Smartphone), ist das Kopfkino beim Lesen eines Buches, eine willkommene Entschleunigung. Zumal sie augenschonender ist als das ständige Starren in irgendeinen Bildschirm.
Manche bevorzugen die klassische Variante des gedruckten Buches, andere schätzen die Leichtigkeit und Vielfältigkeit eines E-Book-Readers. Ok, auch das ist ein Bildschirm, welcher jedoch mit einer Refresh-Rate von Null, eine quasi Druckseiten-Qualität bietet und das Auge nicht mehr belastet als ein echtes Buch.
E-Books lassen sich auf vier Arten beschaffen: über die Portale des Buchhandels, aus Online-Bibliotheken, aus dem Bestand freier Bücher, oder durch den Austausch mit Bekannten und Verwandten. In vielen Fällen kommt einem dabei das 'Digital Restriction Management' der Verlage in die Quere, bzw. verunmöglicht der Linux-Anwenderin den Zugriff auf ein gekauftes oder geliehenes Buch.
Dieser Artikel zeigt Wege auf, wie Bücher frei gehalten werden können.
Das Ausgangs-Szenario ist wie folgt: ich möchte bei einer Online-Bibliothek oder einem Online-Bücherladen ein E-Book ausleihen oder kaufen. In der Schweiz wären das zum Beispiel DiBiOst oder Onleihe in Deutschland, bzw. Books.ch um einen bekannten Schweizer Buchladen zu nennen. Bei den Büchereien muss man Mitglied sein und einen Jahresbetrag zahlen. In meinem Fall bin ich Mitglied der Bücherei in Geroldswil und zahle einen Jahresbeitrag von 30 Franken.
Bleiben wir beim Beispiel der öffentlichen Büchereien. Dort kann ich ein E-Book aus dem Bestand vormerken, falls es bereits ausgeliehen ist, oder direkt zum Lesen herunterladen. Die Metapher 'ist bereits ausgeliehen', stammt aus der analogen Welt, bzw. aus den Begehrlichkeiten der Buchverlage. Ein E-Book kann technisch nicht 'bereits ausgeliehen' sein. Hierbei handelt es sich um eine lizenzrechtliche Anpassung der alten, an die neue Welt. Die Bücherei hat eine gewisse Anzahl an Lese-Lizenzen, die sie bereitstellen kann, obwohl sie (technisch gesehen) eine beliebige Anzahl an Kopien ausleihen könnte.
Nehmen wir an, ein E-Book kann ausgeliehen werden. Dann zwingt mich die Onleihe, eine Ausleihdauer von 2, 4, 7,14 oder 21 Tagen zu wählen. Auch das ist ein Relikt aus der analogen Büchereiwelt. Schnellleser mögen verwundert den Kopf schütteln; ich habe noch nie ein Buch innerhalb von 3 Wochen gelesen; bei mir dauert das länger. Wie dem auch sei, ihr entscheidet euch für eine Ausleihdauer und erhaltet nach dem Klick auf den 'Download' oder 'Ausleihen' Button ... nein, kein E-Book, sondern eine acsm-Datei:
Acsm-Datei
Die acsm-Datei ist lediglich ein Link zum Beziehen des E-Books. Dafür wird die Anwendung 'Adobe Digital Editons' (ADE) benötigt, die das E-Book (im epub-Format) mit 'Digital Restriction Management' ausstattet und das E-Book zur Verfügung stellt. Letztlich wird der Kunde (Käufer, Ausleiher) nicht zum Besitzer (erst recht nicht zum Eigentümer) des Buches, sondern erhält ein begrenztes Nutzungsrecht, welches wieder entzogen werden kann.
Konkret heisst das, dass eine Installation von ADE benötigt wird, um das E-Book tatsächlich beziehen zu können. Leider gibt es ADE nur für Windows, iOS, macOS und Android. Es ist möglich, ADE über Wine zu installieren, allerdings wird bei dieser Lösung über mehr Probleme als Erfolge berichtet. Ich empfehle stattdessen dieses Vorgehen: Installation der alten ADE Version 2.0 unter Windows zum Beispiel in einer virtuellen Maschine. Registrierung bei Adobe, um einen Schlüssel für ADE zu beziehen (Adobe-Id). Diese Registrierung gilt nur für den PC, auf dem ADE installiert ist. Mit einem Doppelklick auf die acsm-Datei öffnet sich ADE und stellt das E-Book im epub-Format bereit.
Nun kommt die beste Anwendung zur E-Book-Verwaltung ins Spiel: Calibre. Im Gegensatz zu Adobe's ADE, lässt sich die Freie Software Calibre auf allen Betriebssystemen installieren. Da man sowieso auf einen Windows-PC angewiesen ist, empfehle ich, Calibre unter Windows zu installieren. Nun kann man die von ADE bereitgestellte Epub-Datei in Calibre öffnen. Diese befindet sich im ADE-Verzeichnis des Windows-Benutzer-Verzeichnisses. Da die Epub-Datei DRM-verseucht ist, kann Calibre diese zwar importieren, aber nicht zum Lesen öffnen. Um die Epub-Datei zu 'befreien' ist ein weiterer Schritt nötig.
Calibre Ebook-Verwaltung
Für Calibre gibt es ein Plugin von ApprenticeAlf. Diese Webseite enthält viele Informationen über das Entfernen von DRM aus E-Books. Meist weist der erste und aktuellste Artikel bei ApprenticeAlf auf die Anleitung hin, wie sein DeDRM-Tool in Calibre installiert werden kann. Wenn man sich genau an die Anleitung hält, sollte es kein Problem sein, dass Plugin in Calibre zu installieren. Nach erfolgreicher Installation des Plugins, werden Epub-Dateien direkt beim Importieren in Calibre von DRM befreit. (Dazu verwendet das Plugin die zuvor erstellte Adobe-Id.) Dies kann leicht überprüft werden, indem man auf das importierte Buch doppelklickt. Wenn man den Inhalt lesen kann, hat die DRM-Befreiung funktioniert.
Das entfesselte E-Book kann nun auf beliebige andere Geräte, wie z.B. E-Book-Reader, Smartphones oder Linux-PCs kopiert werden. Im Calibre-Verzeichnis unter /home, findet sich die Epub-Datei.
Ich bitte zu beachten, dass dieser Artikel nicht als Anleitung zum Bruch von Lizenzrechten von Autoren oder Verlagen dienen soll. Er soll lediglich in die Lage versetzten, ein gekauftes oder geliehenes E-Books überhaupt auf einen GNU/Linux-Betriebssystem lesen zu können. Viel Vergnügen beim Entspannen und Lesen.