Reisen

Brügge sehen … und sterben?

Warum soll man nach Brügge reisen? Entweder möchte man Bier trinken, Schokolade oder Waffeln essen, Pachelbels Canon in D-Dur auf einem Glockenspiel hören oder Zwerge töten. Welche Motivation einen auch immer in einer der schönsten mittelalterlichen Städte Europas treibt, wir waren dort, um Martinas Geburtstag nachzufeiern.

Brügge ist deshalb so gut erhalten, weil es in den Kriegen nicht zerstört wurde und dort keine Feuersbrünste der Stadt zugesetzt haben. Hier wurde früh auf Stein- statt Holzbauten gesetzt, die Feuerwachen vom hohen Turm des Belfort waren effizient und konnten die Pfarrer als Feuerwehren verpflichten.

"Es ist ne Stadt wie im beschissenen Märchen, wie kann jemand sagen so ne märchenhafte Stadt ist nicht sein beschissenes Ding? Wie können die Kanäle und Brücken und Kopfsteinpflasterstrassen und Kirchen und das ganze wunderschöne scheiss Märchenzeug, wie kann jemand sagen, dass das nicht sein beschissenes Ding ist, hm? Sind die Schwäne noch da? Wie kann jemand sagen, dass Schwäne und das alles nicht sein beschissenes Ding sind, hm, wie kann das sein?”, Harry Walters im Telefonat mit Ken.

Am 14. Oktober fuhren wir mit dem Zug von Zürich nach Haan zu Torsten und Elke. Wir verbrachten einen schönen Kennenlern-Abend zu Sechst; Udo und Anne waren die Überraschung für uns. Am Freitag ging es im Regen mit dem Auto Richtung Brügge. Leider war uns kurz vor Brügge der Verkehr nicht mehr hold, weshalb wir uns über Dörfer und Nebenstrassen bis in Stadtzentrum quälen mussten. Die mühsame Anreise wurde durch ein tolles Appartement in der Loppemstraat 11 entschädigt. Über drei Etagen erstreckten sich Wandschränke, Schlafzimmer, Küche, Balkon und Wohnzimmer. Unser Wirt Marc begrüsste uns mit einer verkorkten Flasche Brugse Zot Blond, sowie einer sehr ausführlichen Einführung in die Sehenswürdigkeiten und Restaurants von Brügge.

Nun hatten wir zweieinhalb Tage Zeit, um die Stadt im Detail zu erkunden. Der historische Stadtkern Brügges ist gross und sehr reichhaltig. An jeder Ecke entdeckt man wunderschöne Anblicke auf Gebäude aus vielen architektonischen Stilrichtungen, Brücken-überspannte Kanäle, Grünanlagen und Kunstwerke die in ihrem Zusammenspiel das Besondere an Brügge ausmachen. Man kann sich den märchenhaften Eindrücken dieser Stadt nicht entziehen, sondern möchte mehr sehen und darin eintauchen.

Brügge ist auch ein Kleinod für Shopping und die Kulinarik. Hier findet man abseits der Major-Brands in kleinen Gassen Boutiquen mit einer Auswahl an Produkten, die nicht dem Mainstream folgen. Am ersten Abend kehrten wir im Restaurant De Koetse ein, um dort Fasan zu essen. Die Vielfalt an Restaurants ist unglaublich; eines reiht sich an das nächste. Dies gilt sowohl für die Innen- wie auch die Aussengastronomie. Bei herrlicher Aussicht auf eine Gracht kann man im Bourgogne des Flandres sitzen und ein Brett mit sechs Bierproben testen. Wer das volle Programm sehen möchte, geht zur Beer Wall. In dieser Passage kann man tausende Biere entdecken und zudem viele Gadgets z.B. für Tim & Struppi Fans einkaufen.

Für viele gilt diese Stadt in Flandern als unterschätztes Reiseziel, steht sie doch im Schatten von Brüssel, Antwerpen und Amsterdam. Brügge steht diesen Hot-Spots in keiner Weise nach. Wer sich an den wunderbaren alten Gebäuden, Grachten und verwunschenen Anblicken satt gesehen hat, genug Bier getrunken und Schokolade gegessen hat, kann auch eine andere, ruhigere Seite Brügges erleben. Dazu unternimmt man einen ausgedehnten Spaziergang ausgehend vom Minnewaterpark im Süden und lenkt seine Schritte entlang des äusseren Kanals, der die Altstadt in acht Kilometern umrundet. Auf diesem Spaziergang entdeckt man Einsichten in die Gassen, die ins Zentrum führen. Man begegnet den Joggern und Fahrradfahrern dieser Stadt und fühlt sich etwas abseits des touristischen Geschehens. Ein paar Kilometer weiter überraschen vier gut erhaltene Windmühlen, von denen zwei besichtigt werden können. Auf der Hälfte des Rundweges, ganz im Norden, kann man seinen Weg entlang der Grachten wieder in das Stadtzentrum lenken und dabei die stillen Bezirke des historischen Zentrums entdecken.

Am Sonntag unternahmen wir eine organisierte Stadtführung. Diese wurde begleitet von einem Marathonlauf, an dem viele Bewohner Brügges teilnahmen. Dies auch, weil ein Halbmarathon und ein Familien-Walk angeboten wurde. Die ganze Stadt schien in Bewegung: Einwohner, Touristen, Geschäftsleute, Pferdekutschen und Sight-Seeing-Boote zeugten von einer quirligen Kleinstadt, die seit dem Mittelalter ihren Reiz bewahrt und erneuert hat. Am Abend besuchten wir das Restaurant Bones und genossen hervorragende Sparerips.

Montag, unser Abreisetag, bot noch genügend Gelegenheit, um einen letzten Rundgang durch die Altstadt zu unternehmen, um hier eine Schokolade und dort ein Schmuckstück zu erwerben. Die Rückreise lief bei gutem Wetter und ohne Stau ab, sodass wir zeitig in Haan eintrafen. Bei Pizzen von gegenüber liessen wir vier das Wochenende Revue passieren, indem wir uns den Film Brügge sehen … und sterben? ansahen. Das war eine gute Idee, weil man die Schauplätze noch vor dem Auge hat und die gerade gewonnenen Eindrucke mit dem Film verbinden kann.

Nach so vielen Geburtstagsreisen war Brügge einer der schönsten Ausflüge, die wir bisher hatten. Wir waren alle vier begeistert von dieser Stadt und können sie wärmstens empfehlen. Lasst euch von Brügge inspirieren und schaut anschliessend den Film dazu an.